Einführungsrede von Jochen Borchert (MdB)

8. Berliner Theologisches Gespräch

mit Dr. Martin Kruse

Günter Nooke (MdB)

„Der Mauerbau und die Christen in Deutschland – eine Bestandsaufnahme“

Moderation: Jochen Borchert
Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU

9. Oktober 2001
Vertretung des Saarlandes beim Bund
In den Ministergärten 4
10117 BERLIN

Sehr geehrter Herr Bischof,
lieber Herr Kollege Nooke,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich, dass Sie so zahlreich an diesem Abend erschienen sind. Dies zeigt mir, dass sich die Berliner Theologischen Gespräche inzwischen in der Berliner Landschaft einen wie ich finde ganz beachtlichen Platz erworben haben.

Unser Ziel ist es, die Fragen der Zeit, die sich zwischen Kirche und Politik ergeben, zur Sprache kommen zu lassen.

Wir wollen Kirche und Politik miteinander ins Gespräch bringen, Brücken bauen, wo manchmal Gräben zu sehen und zu spüren sind.

Wir tun dies als Christen.

Als Menschen also, die für unsere Kirche und für unser Land Verantwortung tragen. Politik und Kirche - diese Handlungsfelder können so unterschiedlich sein und doch merken wir, dass wir oft genug aufeinander verwiesen, ja auf einander angewiesen sind.

Als Politiker ist uns dies wieder nach den Geschehnissen des 11. September besonders bewusst geworden. Es waren die Kirchen, die ihre Gebäude geöffnet haben und mit den Worten des Evangeliums Trost und Zuversicht gespendet haben.

Der Gottesdienst in der St. Hedwigskathedrale, an dem wir teilgenommen haben, gab uns ein eindrückliches Zeugnis hiervon.

Ich sagte, dass Politik und Kirche aufeinander verwiesen sind. Die Kirche ist Teil der unerlösten Welt und hat somit nicht selten auch ihr Kreuz mit denen, die in dieser unerlösten Welt politisch agieren müssen.

Und die Politik sieht sich oft genug mit den Ansprüchen und Forderungen der Kirche konfrontiert, die davon Zeugnis geben, dass die Kirche eben mehr ist als Teil der unerlösten Welt.

Als Christen tragen wir politische Verantwortung. Das ist wahr! Aber hier stecken auch die Fallstricke!

Was ist denn recht verstandene politische Verantwortung? Diese Frage wird mit Blick auf die deutsche Geschichte sehr unterschiedlich zu beantworten sein. Politische Verantwortung kann in den Widerstand aber vielleicht auch zur Kooperation führen.

Und wie wird sie von denen wahrgenommen, die Kirche leiten?

Sie stehen im Beziehungsgeflecht politischen und kirchlichen Handelns ganz besonders im Rampenlicht, auch wenn dies nicht unbedingt evangelischem Kirchenverständnis entspricht. Doch Kirchenleitungen bestimmen mitunter ja nicht allzu selten die Art und Weise, mit der man politischen Kräften zu begegnen hat.

Ein Blick in unsere Vergangenheit macht dies mehr als deutlich und hier meine ich nicht nur die Zeit zwischen 1933 und 1945. Die Geschichte ist ja weitergegangen.

Das heutige 8. Berliner Theologische Gespräch trägt der Tatsache Rechnung, dass wir in diesem Jahr den vierzigsten Jahrestag des Mauerbaus begangen haben.

Der Bau der Mauer hat unser Volk in zwei Teile gespalten und letztlich auch dafür gesorgt, dass die Evangelische Kirche in Deutschland keine einheitliche Struktur mehr hatte.

Zur Zeit der Teilung hat es natürlich mannigfache Beziehungen zwischen den Kirchen gegeben und jeder von uns weiß, dass durch die Verbindungen der Christen untereinander auch ein Kontakt blieb, der auf einer geistlichen Ebene verlief.

Und schließlich bleiben die großen Verdienste der Kirchen und ihrer Glieder, die zum friedlichen Prozess der Wiedervereinigung Wesentliches beigetragen haben.

Und dennoch bleiben Fragen, die uns während der Teilung Deutschlands und danach bewegt haben und noch heute beschäftigen.

Haben sich die Kirchen im innerdeutschen Dialog zu sehr zurückgehalten?

Haben Sie sich zu schnell abgefunden mit der scheinbaren Tatsache, dass das Volk für immer gespalten bleiben muss und damit auch vor allem die Evangelische Christenheit in Deutschland?

War der Weg, den der Bund der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem Programm: „Kirche im Sozialismus“ einschlug richtig?

Sind Oppositionsgruppen nicht eher auch von amtskirchlicher Seite behindert und gehindert worden?

Und wie sah es im kirchlichen Leben nach der Wiedervereinigung aus? War die Teilung des Protestantismus entscheidend für sein jetziges Erscheinungsbild?

Wie ist man mit den unterschiedlichen Auffassungen umgegangen, die im kirchlichen Raum aufeinanderprallten?

Wie haben sich Strukturen wieder gebildet, die auseinander gerissen waren?

Und schließlich: Wie war in der beschriebenen Zeit das Verhältnis zu den jeweiligen staatstragenden Personen und zu den Systemen, die sie repräsentierten?

Wir werden an diesem Abend sicherlich nicht alle Fragen beantwortet bekommen, aber vielleicht gelingt es uns an der einen oder anderen Stelle etwas mehr zu erfahren, von dem wie es aus heutiger Sicht damals aussah und sich darstellte.

Ich freue mich außerordentlich, dass wir an diesem Abend zwei Referenten in unserer Mitte haben, die kompetent das Angeschnittene darstellen können.

Ich freue mich, dass Sie sehr geehrter Herr Altbischof Kruse und Sie lieber Herr Nooke heute bei uns sind. Ich möchte noch einiges kurz aus Ihren Lebensläufen hervorheben:

Geboren sind Sie, sehr verehrter Herr Dr. Kruse 1929, in Lauenberg, im Kreis Einbeck als Sohn eines Pastors. Jetzt springe ich einige Jahrzehnte nach vorn.

Seit 1973 waren Sie Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie Leiter ihres Ständigen Ausschusses für Diakonie, Mission und Ökumene.

Als der Berliner Bischof Kurt Scharf im Jahre 1976 aus seinem Amt ausschied wurden Sie sein Nachfolger.

Sie übernahmen dieses Amt in schwieriger Zeit. Die Berliner Kirche litt damals unter den starken Flügelkämpfen.

Diese Kämpfe entschärften sich mit der Zeit, weil sie es mit Ihrer irenischen Art verstanden, einen Grundkonsens in diese Landeskirche zu bringen. Ihre Landeskirche war von 1973 – 1991 entlang der Grenze zur DDR geteilt.

Ihr Vorgänger Kurt Scharf hatte damals als vorerst letzter Bischof ein Mandat für die Berlin- Brandenburgische Gesamtkirche.

Von 1985 bis 1991 waren Sie Ratsvorsitzender der EKD. In dieser Zeit wirkten Sie an der Wiedervereinigung der protestantischen Kirche mit, die sich dann am 17. Januar 1990 mit der sog. Loccumer Erklärung vollzog.

Am 1. Oktober 1991 wurden Sie Bischof der wiedervereinigten evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Ende April 1994 traten Sie in den Ruhestand und verfolgen seit dem aktiv in Berlin lebend, die Ereignisse in Staat und Kirche.

Seien Sie herzlich willkommen!

Sie, lieber Herr Nooke, wurden 1959 in Forst in der Lausitz geboren.

Sie haben Physik studiert und waren bis 1990 wissenschaftlicher Mitarbeiter.

1995-1998 arbeiteten Sie als Abteilungsleiter Controlling in der Braunkohlesanierung.

1987 bis 1990 wirkten Sie in einer kirchlichen Oppositionsgruppe in Forst mit.

1989 – 1990 waren Sie Mitbegründer des Demokratischen Aufbruch und Vorstandsmitglied in dieser Partei.

Sie haben am Zentralen Runden Tisch in Berlin teilgenommen und waren parteiloses Mitglied der Volkskammer vom 18. März bis zum 2. Oktober 1990.

1990-1994 waren Sie Mitglied im Landtag Brandenburgs, Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90.

Sie waren Mitglied im Wirtschafts-, Umwelt- und Stolpe-Untersuchungsausschuss.

1996 sind Sie der CDU beigetreten.

Mitglied des Bundestages sind sie seit 1998 und seit Februar 2000 haben Sie die Funlktion eines stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU- Bundestagsfraktion inne.

Seien sie herzlich willkommen!

Wir haben also zwei Referenten gewinnen können, die sehr unterschiedliche Lebensläufe haben, die aus verschiedenen Teilen unseres Landes angehören und die darüber hinaus unterschiedlicher Generationen angehören. Ich freue mich auf Ihre Vorträge und bitte Sie jetzt um Ihr Wort!