Einführungsrede von Jochen Borchert (MdB): 4. Berliner Theologisches Gespräch

27.11.2000 im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Berlin

mit Herrn Prof. Martin Honecker (Bonn)

Herrn Wolfgang Bosbach

 

Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften

Evangelische Verantwortung und politische Herausforderung

Moderation: Jochen Borchert

Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich begrüße ich Sie zu unserem 4. Berliner Theologischen Gespräch.

Ich freue mich, dass wir Sie nun schon zum vierten Mal einladen konnten und Sie durch Ihre Teilnahme dazu beitragen, dass diese Veranstaltungsreihe des Evangelischen Arbeitskreises in Berlin angenommen wird.

Mit großer Freude begrüße ich unsere heutigen Referenten, Herrn Prof. Dr. Martin Honecker, den Inhaber des Lehrstuhls für Sozialethik und Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn sowie den Stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach.

Beide Referenten haben sich in die Debatte eingeschaltet, die durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften" ausgelöst wurde.

Wie kaum ein anderer Gesetzesvorschlag in den letzten Jahren wurde dieser in stärkster Kontroverse auch in der Öffentlichkeit behandelt.

Die Meinungsverschiedenheiten zogen sich und ziehen sich auch heute quer durch die Parteien.

Und doch sind die Mehrheiten hinsichtlich der Zustimmung bzw. der Ablehnung des Gesetzentwurfs in den Parteien verschieden. Dies ist in den letzten Wochen auch in den Debatten im Deutschen Bundestag deutlich geworden.

Im Zuge der Beratungen wurde immer deutlicher absehbar, dass CDU und CSU das ehrgeizige und umstrittende Reformvorhaben der Regierung am Veto des Bundesrates scheitern lassen würde.

Aus diesem Grund wurde der Gesetzesentwurf seitens der Bundesregierung in zwei Teile geteilt.

Mit diesem Vorgehen erreichte die Bundesregierung, dass die Regelungen, für die das JA der unionsdominierten Länderkammer nötig ist, von den nicht zustimmungspflichtigen Vorschriften getrennt wurden.

Nichtzustimmungspflichtig waren die Änderungen im Familienrecht, auch sozial- und versicherungsrechtliche Fragen.

Zustimmungspflichtig sind die Änderungen des Steuerrechts, des Bundessozialhilfegesetzes, des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Beamtenrechts.

Auch das Eingehen der Partnerschaft vor dem Standesbeamten betrifft das Verwaltungsverfahren der Länder und ist deshalb zustimmungspflichtig.

Im zustimmungsfreien Entwurf konnte nur festgelegt werden, dass die Gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften amtlich registriert werden. Da bisher nur der zustimmungsfreie Entwurf Gesetz geworden ist, steht durch die bevorstehende Verhandlung im Bundesrat noch Wesentliches aus.

In dieser Situation findet am heutigen Abend unser Gespräch statt.

Als Evangelischer Arbeitskreis wollen wir ein Forum bieten diese Frage ausführlich vielleicht auch kontrovers zu behandeln.

Als evangelische Christen sind wir vor allem an die Bibel gewiesen.

Von ihr aus erkennen wir, was uns als wahrhaftige Lebensweise für unser Leben an die Hand gegeben wird. Wir alle, die wir uns in der Bibel auskennen, wissen, dass das homosexuelle Handeln in der christlichen Tradition als sündige Haltung Gott gegenüber beschrieben wird.

Schon durch die Schöpfungsgeschichte wird das Aufeinander-Gewiesen-Sein von Mann und Frau betont.

Hier ist die Keimzelle nicht nur des Lebens, sondern auch einer sich auf Leben aufbauenden Gesellschaft, die auf einer lebensbejahenden Schöpfungsordnung beruht.

Wir wissen aber auch um den Umgang Jesu mit seinen Nächsten, ein Umgang der von der Liebe und Barmherzigkeit geprägt war und der die Würde eines jeden Menschen respektiert hat.

Ja die Würde des Menschen, als die des Ebenbild Gottes.

Beide Impulse für unser Lebens sind deutlich und klar.

Deutlich ist: Ungleiches darf nicht gleich behandelt werden. Das aber sieht die Bundesregierung so vor. Dem gilt unser Widerspruch von unserer christlichen Auffassung her.

Deutlich ist auch vom Grundgesetz her: Es gibt nur eine durch den Staat besonders geschützte Gemeinschaft. Dies ist die Ehe, die Ehe zwischen Frau und Mann.

Und doch bleiben Fragen, Fragen auf die die Christen Antworten finden müssen, die Christen, die in Ihrem Alltag und Ihrer Gemeinde gefragt sind.

Es bleiben aber auch Fragen bei denen, die aus christlichem Wissen und Gewissen politisch handeln wollen und müssen. Dieses Handeln hat der Gesamtgesellschaft Rechnung zu tragen.

Durch unsere Referenten haben wir die Möglichkeit gleichermaßen Fragen zu hören und Antworten zu bekommen.

Wir werden Ursachen hören, die zu Entscheidungen geführt haben, Entscheidungen, die die Stellungnahmen der Evangelischen Kirche geprägt haben und Entscheidungen, die die Stellung der CDU geprägt haben.

Diese Entscheidungen, die die Referenten Ihnen heute nachvollziehbar machen wollen, können und dürfen im Nachhinein diskutiert werden, zustimmend und kritisch.

Jetzt aber wollen wir zuerst den Ausführungen unserer Referenten zuhören.

Wir beginnen mit Herrn Bosbach, danach spricht Herr Prof. Honecker, nach einer inneren Runde wird das Gespräch auch für Ihre Fragen und Anmerkungen geöffnet werden.