
Für Entscheidungslösung bei der Organspende - Rede von Thomas Rachel MdB im Dt. Bundestag
Heutige Rede des EAK-Bundesvorsitzenden, Thomas Rachel MdB, im Dt. Bundestag.
Er spricht sich darin - zusammen mit den beiden großen Kirchen in Deutschland - für die freiwillige Entscheidungslösung bei der Organspende und gegen die "doppelte Widerspruchslösung" aus:
(Es gilt das gesprochene Wort)
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Immer noch sterben in Deutschland drei Menschen am Tag, weil sie vergeblich auf ein Spenderorgan warten.
Deshalb sind wir uns alle einig im Ziel: Wir brauchen mehr Organspender in Deutschland!
Was aber ist ethisch und politisch der richtige Weg, um die Zahl der Organspenden tatsächlich zu erhöhen?
Die Antwort kann für mich nur in der Stärkung der freiwilligen Entscheidungsbereitschaft eines jeden Einzelnen liegen!
Deshalb müssen wir die Bürgerinnen und Bürger noch intensiver aufklären, befragen und dazu ermutigen. Leider gibt es hierfür keine ethisch überzeugende Abkürzung.
Es gibt keine Rechtfertigung dafür, das Recht auf körperliche Unversehrtheit unter Vorbehalt zu stellen.
Gemeinsam haben die Evangelische Kirche und die Katholische Kirche gegen die vorgeschlagene Widerspruchregelung erheblichste rechtliche, ethische und seelsorgerliche Bedenken. Diese Bedenken teile ich, denn:
- Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass Staaten mit Widerspruchslösung nicht automatisch mehr Organspender haben, als Länder mit Zustimmungslösung.
Die eigentlichen Zugewinne bei Spenderzahlen in Spanien und Belgien wurden durch Struktur- und Organisationsverbesserung erreicht. Dort wird jedoch auch nach dem Herztod explantiert. Die deutsche Rechtslage ist hier richtigerweise anders.
- Zu Recht kritisieren die christlichen Kirchen, dass die Widerspruchsregelung die wichtige Rolle der Angehörigen vernachlässigt, gerade im emotionalen Ausnahmezustand des Sterbeprozesses.
- Es ist ein eklatanter Wertungswiderspruch, wenn das Recht auf Selbstbestimmung über meine Daten künftig höher bewertet wird als mein Recht auf körperliche Unversehrtheit.
- Es ist zutiefst problematisch, wenn die Verfügungshoheit über die eigene körperliche Unversehrtheit erst und nur durch einen Widerspruchsakt zurückgewonnen werden kann.
Das verändert das Verhältnis zwischen Staat und Bürger grundlegend.
Die Organspende verdient aus christlicher Perspektive höchste Anerkennung als Akt der Nächstenliebe und Solidarität über den Tod hinaus. Nächstenliebe kann aber nicht staatlich eingefordert werden, sondern gedeiht nur dort, wo es auch Freiheit gibt.
Wie der Begriff „Organspende“ schon sagt, sollte diese Entscheidung freiwillig getroffen werden.
Eine Spende, die nicht dem freien Willen entspringt, ist keine Spende.
Die Entscheidung für oder gegen eine Organspende ist eine sehr persönliche Entscheidung über das eigene Sterben.
Da der Mensch seine Würde im Sterben und im Tod behält, darf die Freiheit bei dieser sensiblen Entscheidung durch den Staat nicht beschnitten werden.
Die Würde des Menschen ist dadurch gekennzeichnet, dass sie jeder Verfügung durch andere Menschen oder staatlichen Kräften entzogen ist.
Unsere kulturelle Prägung wie unsere Rechtsordnung sagen: Die Durchsetzung auch von nachvollziehbaren Interessen endet an der Grenze, die durch die Integrität und die Freiheit der anderen Person bestimmt ist.
Insofern ist die Organentnahme und die Verlängerung des Sterbeprozesses nur dann gerechtfertigt, wenn sie dem ausdrücklichen Willen des Sterbenden entspricht.
Für seine Zustimmung dürfen und wollen wir werben, können sie aber nicht stillschweigend voraussetzen. Schweigen darf nicht als Zustimmung gelten.
Staatlichen Druck aufzubauen, widerspricht dem christlichen Bild des selbstbestimmten Menschen, der in Freiheit und in Verantwortung vor Gott und seinen Mitmenschen über sein Leben und seinen Körper Entscheidungen treffen kann.
Daher setze ich mich für den Gesetzesentwurf „zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ ein und bitte hierfür auch um Ihre Zustimmung.
Vielen Dank!
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