Zum Thema „Bedingungen einer zukunftsgerechten Bildung“

10.05.2002

„Pisa“ und „Erfurt“ haben gleichermaßen die uralte Erkenntnis bestärkt, dass Bildung aus personaler Beziehung und ethischer Bindung besteht. Fehlt Beziehung, so verhindert Kommunikationsunfähigkeit Lernerfolge; fehlt Bindung, so fehlt es Kindern und Jugendlichen am Interesse an ihrem Lebensfortschritt.

Bildung hat von jeher die Elemente von Wissensvermittlung und Erziehung enthalten: strukturierte Informationen, die zu einem allgemeinbildenden Bestand von Wissen verdichtet werden, verbinden sich mit Haltungen, die sich bei der Erarbeitung von ausgewählten Inhalten und aus der gemeinsamen Auseinandersetzung ergeben.

Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen verlangt, dass Kain sich um seinen Bruder Abel kümmert. Die Achtung vor der Würde der Person kommt in unseren Schulen und unserer Gesellschaft oft zu kurz. Schulen müssen diesen Anspruch in ihrer Zusammensetzung aus Lehrern, Eltern und Schülern selbst jeden Tag neu einlösen; die Gesellschaft darf ihnen aber diesen Auftrag nicht allein aufbürden. Schule hat einen Anspruch darauf, dass ihre Leistung Wertschätzung erfährt. Dazu gehört die Pflicht zu qualitativ guter Lehrerarbeit, aber vorrangig der Respekt vor der Lehrerleistung in Wissensvermittlung und Erziehung.

Die junge Persönlichkeit wächst in einem Miteinander von Fordern und Fördern: Jeder Mensch braucht Herausforderung, um Bestes leisten und seine eigenen Grenzen erkennen und verschieben zu lernen. Jeder Mensch braucht Förderung, um in unsicheren Gefilden wieder Halt und den Weg zur Problemlösung zu finden.

Dazu gehören auch die Bereitschaft zur Anstrengung ebenso wie die Erkenntnis, dass sich jeder mit Bereichen abfinden muss, die sich ihm nicht erschließen.

Gerade im Angesicht der Globalisierung einer kaum überschaubaren Ausweitung des Wissens und schwankender Wertvorstellungen bedarf es einerseits stabilen Grundwissens und andererseits eines damit einhergehenden Ringens um die grundlegenden Werte, ohne die unsere Gesellschaft nicht mehr sein würde.

Sicherheit und Wagnis, neue Erkenntnis zu suchen, bedingen einander. Wer einen verlässlichen Wissenskern besitzt, lässt sich auf das vermehrt geforderte lebensbegleitende Lernen ein.

Wer um das Geschaffensein und die Vorläufigkeit der Existenz weiß und den geoffenbarten Gott ahnt, hat keine klare Richtlinie, aber einen Maßstab für seine Lebensentscheidungen.

Zum christlichen Verständnis vom Menschen gehört die Erkenntnis seiner Ungleichheit, seiner Verschiedenheit und seiner individuellen Begabungen, die ihre Antwort in unterschiedlichen Schwerpunkten und Vermittlungswegen verlangen. Aus dieser Erkenntnis heraus verbietet sich eine unterschiedliche Wertschätzung der verschiedenen Bildungsgänge. Jede junge Person individuell hat ein Recht darauf, dass alle ihre Begabungen zur Entfaltung gebracht werden.

Kinder und Jugendliche werden verunsichert, wenn sie nicht wissen, „woran sie sind“. Der Bildungserfolg verliert sich, wenn die Anstrengung von den Lehrern allein gefordert wird. Daher sind Erziehungsvereinbarungen an den Schulen zu befördern, die einen gemeinsamen Erziehungsauftrag postulieren, definieren und erlebbar machen. Nur so kann Schulgemeinde erfahrbar werden und im Sinne eines Gelingens junges Leben prägen.

Berlin, den 10.05.2002