„Globale Verantwortung im Zeichen von Frieden, Recht und Sicherheit“

20.06.2008

Resolution des Bundesvorstandes des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK) zur 45. Bundestagung des EAK

Präambel

Wir stehen heute, nach dem Ende des Kalten Krieges und seit der Zäsur des 11. Septembers 2001, in einer völlig neuen, globalen Verantwortung für Frieden, Recht und Sicherheit. Von sogenannten „zerfallenden Staaten“, dem international operierenden Terrorismus, einer zunehmend unkontrollierbaren Verbreitung von Militärtechnik sowie von teils neuen, teils alten und unbewältigten militärischen Konfliktfeldern geht insgesamt ein Bedrohungspotential aus, das kein Land der Welt mehr ignorieren kann. Gerade für die westlich geprägten, freiheitlich-demokratischen Gemeinwesen bedeutet die Konfrontation und der Umgang mit diesen neuen und vielschichtigen Problemen immer auch eine elementare Anfrage an ihr eigenes rechtsstaatliches und wertegebundenes Selbstbewusstsein: Bei der notwendigen Bekämpfung von Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Rechtsbruch und Terror gilt es zu ausgewogenen, angemessenen und an den Maßstäben langfristiger Friedenssicherung orientierten Mitteln zu greifen.

Als politisch engagierte Christen sehen wir uns durch die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der Forderung zu einer neuen und umfassenden, internationalen Friedensbemühung bestärkt, die vor allem auch die Dimensionen einer internationalen sozialen Gerechtigkeit, des verantwortlichen Umgangs mit den Schöpfungsgütern und den endlichen Ressourcen sowie die Durchsetzung und Sicherung der universalen Menschenrechte mit einbezieht. Zur Fortentwicklung und Stärkung einer international verbindlichen und durchsetzbaren Friedens- und Rechtsordnung gibt es in ethischer Hinsicht keine tragfähige politische Alternative.

Der EAK appelliert an unsere Gesellschaft, insbesondere an Verantwortliche aus Politik und Wirtschaft, die Diskussionen um zukunftsweisende und tragfähige politische Friedenskonzepte zu intensivieren und an deren Verwirklichung gemeinsam mitzuarbeiten.

I. Völkerrecht und neue Weltfriedensordnung

Zusammen mit der EKD stehen wir auf dem Standpunkt, dass Friedenspolitik gegenwärtig wie künftig nur dann von dauerhaftem Erfolg sein kann, wenn es neben dem Vorrang des zivilen Umganges mit Konflikten und der institutionellen und materiellen Stärkung ziviler Konfliktbearbeitung auch zu einer neuen und wirksamen Durchsetzung des Völkerrechtes kommt.

Wir bekräftigen, was wir in unserer „Friedensresolution“ von Halle am 13. Juni 2003 gefordert haben. Es darf nicht sein, dass sich Staaten, in denen Anarchie, Terror und Missachtung der Freiheits- und Menschenrechte herrschen, vor dem Zugriff der freiheits- wie friedliebenden Weltöffentlichkeit in Sicherheit wähnen und sich auf ein veraltetes Verständnis nationalstaatlicher Integrität berufen können. Wegen der Schwäche der UNO kann es zu einer Rückkehr zum „Recht des Stärkeren“ kommen. Die UNO muss willens und in der Lage sein, Staaten entgegenzutreten, die Menschenrechte in eklatanter Weise verletzen. Die Chancen der Globalisierung können nur dann segensreich wirken, wenn sie gesichert werden durch eine Übereinstimmung in den Rechtsvorstellungen und -strukturen der Gemeinschaft der Völker. Hierzu muss sich die UNO von Grund auf erneuern. In einem sicherlich lang dauernden Prozess muss Einvernehmen über die Menschenrechte erzielt werden.

Wir sehen mit Sorge die Grenzen im gegenwärtigen, wesentlich durch die UNO repräsentierten System „kollektiver Sicherheit“. Die UNO ist nicht hinreichend in der Lage, eigenen Beschlüssen und Resolutionen überzeugend Nachdruck zu verleihen. Ihrem Sicherheitsrat gehören Vetomächte an, die selbst Menschenrechte und völkerrechtliche Standards verletzen. Ein Konsens über die Kriterien legitimer militärischer Interventionen fehlt. Hier muss eine Erneuerung ansetzen, um dem Ziel eines durchsetzungsfähigen Völkerrechts als wesentlichem Schritt zu einer gerechten Weltfriedensordnung näher zu kommen.

Wir bekennen uns als christliche Demokraten zu den Werten von Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit als Richtschnur für unsere Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Dies setzt für uns in erster Linie die Pflege und Weiterentwicklung eines starken und sich von den eigenen Werten ernsthaft bestimmen und auch selbst in die Pflicht nehmen lassenden, transatlantischen Bündnisses voraus. Nur auf dem festen Fundament dieser westlichen Wertegemeinschaft ist unser Beitrag zu einer tragfähigen und ihren Namen verdienenden Weltfriedensordnung möglich. Sie ist nur dann denkbar, wenn sie sich als eine an freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien ausgerichtete Ordnung versteht.

Das westliche Bündnis kann nur als Wertegemeinschaft Bestand haben und seinen glaubwürdigen Beitrag leisten. Darum darf es nicht geschehen und muss auch in Zukunft verhindert werden, dass Folter, Willkür und Menschenrechtsverletzungen bei der Bekämpfung des weltweiten Terrorismus als vermeintlich legitime Mittel in irgendeiner Weise zum Einsatz kommen und billigend oder stillschweigend geduldet werden.

Als Antwort auf die Herausforderung durch den internationalen Terrorismus und der damit einhergehenden Verbindung von inneren und äußeren Bedrohungen sowie der Asymmetrie der Konflikte bedarf das Völkerrecht einer Weiterentwicklung. Dabei geht es im Schwerpunkt darum, ob und wie Terroranschläge kriegerischen Ausmaßes und die staatlichen Reaktionsmöglichkeiten in das Völkerrecht eingeordnet werden können.

II. Internationale Soziale Marktwirtschaft

Der Einsatz für eine Internationale Soziale Marktwirtschaft zielt darauf, dass wir auch in globaler Perspektive die politischen Gestaltungsmöglichkeiten weiter verbessern müssen, um auf eine funktionsfähige und gerechte Ordnung der Weltwirtschaft hinwirken zu können. Bei der Formulierung eines friedenspolitischen Beitrages im interkontinentalen Maßstab kann der Europäische Binnenmarkt als ein Wegweiser zu einer Internationalen Sozialen Marktwirtschaft angesehen werden. Er ist entstanden und entwickelt sich aus einem Zusammenwachsen von Teilmärkten fort. Da die Unterschiede der wirtschaftlichen Fähigkeiten, der sozialen Traditionen und der Erwartungen sowie des kulturellen Umfeldes ungleich größer sind, wird das Vorhaben einer Internationalen Sozialen Marktwirtschaft ungleich schwieriger und langwieriger sein. Die in der jüngsten EKD-Friedensdenkschrift geforderte "transnationale soziale Gerechtigkeit" findet in einer Internationalen Sozialen Marktwirtschaft Entfaltung.

Die Gestaltung der wirtschaftlichen Globalisierung und der Einsatz für eine gerechte Friedenspolitik basieren auf einer internationalen Verständigung über Bedingungen einer funktionsfähigen und gerechteren Ordnung für die Weltwirtschaft. Diese muss zum Ziel haben, dass alle Menschen von mehr Freiheit und Wohlstand in Sicherheit durch die Globalisierung profitieren können. Sie muss dafür sorgen, dass die gewonnene wirtschaftliche Freiheit dem Menschen dient. Wir wollen unseren Einfluss in der Welt nutzen. Im Kampf gegen Armut, Hunger, Seuchen, Analphabetentum, Korruption, Verstöße gegen Menschenrechte, Diskriminierung und kriegerische Konflikte halten wir die wachsende internationale Handelsverflechtung und fortschreitende Öffnung der Märkte für eine wichtige Antriebskraft.

III. Verantwortung für die Schöpfung und gerechter Umgang mit den endlichen Ressourcen

Globale Gerechtigkeit und Solidarität setzen gleichberechtigte Teilhabe an den natürlichen Ressourcen und deren sparsame Nutzung gleichermaßen voraus. Sowohl der ungenügende Zugang armer Völker bzw. Bevölkerungsschichten zu diesen Ressourcen als auch der verschwenderische Umgang mit ihnen führen zur Übernutzung der Natur und zerstören längerfristig unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Unsere Verantwortung für die Schöpfung erfordert daher zwingend eine nachhaltige Ressourcennutzung, die sowohl die sichere und wirtschaftlich tragbare Versorgung der heute Lebenden als auch die Lebenschancen künftiger Generationen, also die Regeneration der natürlichen Lebensgrundlagen durch weitgehend geschlossene Stoff- und Energiekreisläufe im Auge hat.

Dies gilt neben der Nutzung des Bodens und des Wassers in besonderem Maße für die Energieversorgung. Angesichts der Verknappung und Verteuerung fossiler Energieträger ist eine sichere, umweltfreundliche und wirtschaftliche Energieversorgung, die zunehmend aus regenerativen Quellen gespeist wird, eine politische Zukunftsfrage von überragender Bedeutung. Die Nachhaltigkeit beim Umgang mit den natürlichen Ressourcen wäre gleichzeitig der Weg, den globalen Klimawandel zu mildern, der zu einer Bedrohung für unsere zukünftigen Lebensgrundlagen geworden ist. Nur so lassen sich zusätzliche Konflikte um elementare Lebensgrundlagen und natürliche Ressourcen vermeiden.

Für uns bedeutet daher eine in der Verantwortung für die Schöpfung gegründete Ressourcen-, Umwelt- und Klimapolitik ein wesentlicher Bestandteil einer aktiven Friedenspolitik, die sich in der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik niederschlagen muss, um einen Beitrag zur globalen Gerechtigkeit und Solidarität zu leisten.

IV. Universale Menschenrechte und Existenzrecht Israels

Eine wesentliche Voraussetzung für eine gerechte Weltfriedensordnung bilden die Durchsetzung der universalen Menschenrechte und der Einsatz für Meinungs- und Religionsfreiheit.

So selbstverständlich es ist, dass in unseren freiheitlichen und rechtstaatlich verfassten Demokratien die Gewährung der elementaren Menschenrechte sowie der besonderen Bürgerrechte nicht verhandelbar sind, gilt es dennoch im Dialog und in der Auseinandersetzung mit Staaten der Erde, in denen es immer wieder zu gravierenden Menschenrechtsverstößen und bewussten Missachtungen elementarer Grundrechte kommt, mit allem außenpolitischen Nachdruck auf das alte, völkerrechtliche Prinzip der Gegenseitigkeit zu verweisen.

In besonderer Weise gilt dies leider immer wieder auch für zahlreiche islamische Staaten im Hinblick auf die Unterdrückung von grundlegenden Religionsfreiheitsrechten bzw. von religiösen Minderheitenrechten. Da es „ohne Religionsfrieden keinen Weltfrieden“ geben kann, müssen wir deutlich machen, dass etwa die Unterdrückung und Verfolgung von Christen und Andersgläubigen in vielen islamischen Ländern international nicht länger akzeptiert werden kann. Die derzeitigen Verfolgungen von Christen im Irak beispielsweise, die fast schon genozidartige Züge tragen, und die notorischen Unterdrückungen der Religionsfreiheit in anderen muslimischen Ländern und Regionen fordern von uns ein entschiedenes Handeln.

Auch im Bemühen um einen Frieden im Nahen Osten kann es keine Lösung geben, die nicht von der vollen Garantie für das Existenzrechtes Israels ausgeht. In der EKD-Friedensdenkschrift wird diese Fragestellung leider nicht eigens reflektiert. Als evangelische Christen in CDU und CSU bekennen wir uns zum unbedingten Existenzrecht Israels als jüdischer Staat in sicheren Grenzen. Dazu gehört auch, dass wir entschlossen eine nukleare Bewaffnung des Iran verhindern müssen. Die Infragestellung der Existenz des Staates Israel, aber auch Antisemitismus und Vergleiche, welche die Shoa verharmlosen, sind Skandale, denen wir uns national wie international mit aller Kraft entgegenstellen müssen.

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Als christliche Demokraten wissen wir, dass eine dem christlichen Menschenbild und der christlichen Friedensethik verpflichtete Außen-, Verteidigungs- und Innenpolitik von dem Willen, der Entschlossenheit und der Fähigkeit getragen sein muss, vor allem auch für unsere eigenen Werte, Überzeugungen und Interessen glaubwürdig und entschieden einzutreten. Der weltweite Einsatz für Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit in der Perspektive gelebter Friedensverantwortung, der Bemühung um Völkerverständigung und des Dialoges zwischen den Kulturen ergibt sich dabei zum einen aus dem besonderen Charakter der christlichen Versöhnungsbotschaft selbst. Zum anderen erweist er sich gleichermaßen als Beitrag zur aktiven nationalen Sicherheitsvorsorge und dient dem eigenen Interessenschutz.

Bundesvorstand des EAK der CDU/CSU

Berlin, den 20.06.2008