Beitrag von Wolfgang Bosbach MdB: 4. Berliner Theologisches Gespräch

27.11.2000 im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Berlin

Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften

Evangelische Verantwortung und politische Herausforderung

Herr Borchert, Herr Prof. Dr. Honecker,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

zunächst einmal ein herzliches Dankeschön für die Einladung, für Ihr Interesse, heute Abend uns zu Beginn zu zuhören und mit uns, falls gewünscht, zu diskutieren. Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass ich mich nun dem Thema handfest, sozusagen irdisch, nähere. Dieses Thema ist ein Beispiel dafür, wie Politik sein kann, aber auch dafür, wie Politik besser nicht sein sollte. Wir befinden uns trotz der 2./ 3. Lesung des Deutschen Bundestages nicht nach der Debatte, sondern im Grunde noch mitten in der Debatte, denn auch der Bundesrat wird sich mit dem Thema noch beschäftigen. Wir sind sicher, das Thema kommt wieder zurück in den Deutschen Bundestag und dann, was sehr wahrscheinlich ist, letztendlich vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Wir haben uns in den vergangenen Jahren landauf, landab zu den verschiedensten Gelegenheiten mit wichtigen Reformvorhaben beschäftigt. Mit der Rentenreform, der Steuerreform, der Gesundheitsreform. Das Thema heute Abend behandelt eine Reform der Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland, was auch gar nicht verheimlicht wird, denn schließlich hat ja die grüne Fraktionssprecherin nach der aus ihrer Sicht erfolgreichen Bundestagswahl gesagt, die Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland würde nun mehr ein neues Gesicht bekommen. Worüber wir heute Abend sprechen, dient sicherlich auch diesem Ziel, das Gesicht der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland zu verändern. Hier geht es an das Fundament. Man muss sehen, wenn das Beschlossene Gesetzeskraft erlangen sollte, ist das nicht änderbar. Auch dann nicht, wenn sich die parlamentarischen Mehrheiten eines Tages wieder ändern sollten.

Es geht nicht, und darüber sollten wir uns heute Abend wirklich nicht unterhalten und erst recht nicht streiten, um eine ethische Bewertung der Homosexualität durch den Gesetzgeber. Der Gesetzgeber hält sich hier völlig zurück. Er konzentriert sich bei den strafrechtlichen Vorschriften auf den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung und auf den Schutz der Jugend. Das sind die beiden Dinge, die der Gesetzgeber im Auge haben muss. Ansonsten regelt er nicht, wie die Menschen zusammen zu leben haben. Prof. Honecker hat ja zutreffend daraufhin gewiesen, dass das Schlafzimmer für den Gesetzgeber tabu ist.

Die Ursachen der Gesetzinitiative sind nicht nur festzumachen in der Koalitionsvereinbarung, als Hingabe an die Grünen, die das gefordert haben, sondern es war der Bundeskanzler höchstpersönlich, der wenige Wochen vor der Bundestagswahl dem Schwulenmagazin "Hinnerk" ein Interview gegeben hat. In diesem Interview hat er der Szene versprochen, dass nach einem für ihn erfolgreichen Wahlausgang seine Bundesregierung die Gleichstellung der homosexuellen Partnerschaft mit der Ehe durch Gesetz nachvollziehen werde. Das wird heute heftig bestritten. Heute wird andersherum argumentiert, es sei keine Gleichstellung mit der Ehe, wohlwissend welche verfassungsrechtliche Problematik damit ausgelöst werden würde.

Wir haben als die zentrale Verfassungsvorschrift Art. 6 Absatz 1 Grundgesetz, die Institutsgarantie der Ehe. Danach ist es dem Gesetzgeber verboten, das Institut der Ehe abzuschaffen. Zunächst wird nur das Institut durch diese Vorschrift geschützt. Das Wörtchen "besonderen" ist darüber hinaus ein Abstandsgebot. Die Mütter und Väter der Verfassung haben die Ehe nicht erfunden, sie haben die Ehe vorgefunden und sie haben den Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes nicht konzipiert wegen der Liebe von Mann und Frau, sondern, weil die Ehe sich in der Tradition der Gesellschaft als die beste Form des Zusammenlebens von Mann und Frau bewährt hat. Und zwar in doppelter Hinsicht: einmal im Hinblick auf die Kinder, die aus einer solchen Ehe hervorgehen, aber auch im Hinblick auf das eigene wohlverstandene Interesse des Staates und der Staatsbürger an der Erhaltung der Staatsgemeinschaft.Artikel 6, also Institutsgarantie und Abstandsgebot zu anderen Formen des Zusammenlebens. Aber auch der Artikel 3 verlangt, nicht nur Gleiches gleich zu behandeln, sondern auch Ungleiches ungleich. Und auch dann, wenn Ungleiches gleich behandelt wird, kann darin ein Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes liegen. Wir hatten im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens auch eine formelle Sachverständigenanhörung durch den federführenden Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages. Dabei sind die jetzt gefundenen Regelungen sowohl wegen Artikel 6, als auch wegen Artikel 3 Grundgesetz angegriffen worden, nämlich im Hinblick auf die dann automatisch vorhandene Ungleichbehandlung der nichtverheirateten heterosexuellen Paare mit den dann in einer Lebenspartnerschaft sich befindenden eingetragenen homosexuellen Paaren.

Wie sieht nun die Position des Bundesverfassungsgerichtes aus? Das Bundesverfassungsgericht hat das bereits einmal entschieden bei der "Aktion Standesamt", als Gleichgeschlechtliche zu den Standesbeamten schritten und dort ihr Aufgebot aufgaben, wohlwissend, dass der Standesbeamte unter Hinweis darauf, dass das Wesensmerkmal der Ehe die Geschlechterverschiedenheit der Eheleute sei, das Aufgebot ablehnen würde. Dieser Weg musste gegangen werden, um bis an das Bundesverfassungsgericht zu kommen, um über das Verwaltungsgericht, das Oberverwaltungsgericht, das Bundesverwaltungsgericht, endlich dann in Karlsruhe zu landen. Das BVerfG hat damals entschieden, dass keine Gleichbehandlung aus den von mir gerade erwähnten Gründen durch den Gesetzgeber vorgenommen werden müsse. Das Bundesverfassungsgericht hat offen gelassen, ob der Bundesgesetzgeber es überhaupt dürfe. Mit dieser Frage müsste sich dann das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erst noch beschäftigen.

Die Lage ist die, dass sich die Bundesregierung, genauer gesagt die Koalitionsfraktionen, durch die eingetragene Lebenspartnerschaft so nah an die Ehe heranschmiegen wollen dass es eine Ehe wird, aber nicht Ehe genannt wird, weil sonst der Konflikt mit Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz evident wäre. Entscheidend ist ja nicht die abstrakte Position der Ehe, also die Eheschließung als solche, sondern welche Wirkungen von der Ehe ausgehen. Bevor ich mich mit dem Thema intensiv befasst habe, hätte ich als gestandener Ehemann auch nicht gewusst, dass es in 116 Gesetzen Ehewirkungen gibt, die automatisch mit der Eheschließung verbunden sind. Ich behaupte, darüber machen sich die Eheleute, wenn sie vor den Standesbeamten treten, auch keine Gedanken. Manch einer würde vielleicht nicht kommen, wenn er wüsste, welche Ehewirkungen mit der Eheschließung automatisch verbunden sind, welche Rechtsfolgen das auslösen kann. Ich habe auch nicht gewusst, dass das Margarinegesetz geändert werden muss, wenn man die eingetragene Lebenspartnerschaft regeln will. 116 Gesetze gibt es, bei denen Ehewirkungen konstituiert werden und 112 Gesetze sollen geändert werden. Das zeigt Ihnen schon, wie nahe man an die Ehe, genauer gesagt an die Ehewirkungen gerückt ist. Die zwei Ausnahmefälle, die allgemein bekannt sind, ist einmal keine Adoption durch Partner. Wohl auch, aber nicht flächendeckend bekannt ist, dass es die Möglichkeit gibt, dass der Einzelne ein Kind adoptiert. Da wird nicht nach der sexuellen Neigung gefragt. Der Einzelne kann, ob heterosexuell oder homosexuell veranlagt, ein Kind adoptieren, nicht aber ein homosexuelles Paar.

Und steuerrechtlich, rechtsystematisch überhaupt nicht zu begründen, wahrscheinlich im Hinblick auf die Kassenlage des Bundes, gibt es kein Ehegattensplitting, sondern ein sogenanntes Realsplitting. Die homosexuellen Paare in Lebenspartnerschaft sollen also steuerrechtlich so behandelt werden als seien sie geschiedene Eheleute.

Und nun war offensichtlich, dass dieses Werk keine Mehrheit finden würde im Bundesrat. Das komplette Gesetzespaket würde auch so komplett abgelehnt werden und käme dann wieder in den Bundestag zurück, weil wesentliche Teile zustimmungspflichtig sind. Sie könnten selbst dann nicht in Kraft treten, wenn der Deutsche Bundestag einstimmig dieses Gesetz verabschieden würde. Es wäre eine absolute Sperre. Die B-Länder lassen sich hier nicht auseinander dividieren.

Daher hatte man kurz vor 12, das war nicht 5 vor 12, das war eine Minute vor 12, das Gesetzespaket aufgeschnürt. Man hat zwei Blöcke gebildet, einen Block, der zustimmungspflichtig ist, ein Zustimmungsgesetz und einen nicht zustimmungspflichtigen Block, bei dem es sich lediglich um Einspruchgesetze handelt.

Aus Sicht der Union finden sich bedauerlicherweise die wesentlichen Ehewirkungen, in dem nicht zustimmungspflichtigen Teil: Unterhaltsrecht, Sorgerecht usw. Alles - volkstümlich ausgedrückt - was mit Geld zu tun hat, steuerrechtliche Regelung, beamtenrechtliche Regelungen, die befinden sich in dem Teil, der der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Da ging es nicht nur um Tage, da musste auf einmal dieses ganze neue Gesetzespaket in Stunden beraten werden, weil man unbedingt den 1. Dezember erreichen will, das ist die nächste Sitzung des Bundesrates, man rechnet mit einem Einspruch und dann ergibt sich natürlich für uns sofort die Frage, ob wir, wie das üblicherweise der Fall ist, in ein Vermittlungsverfahren eintreten oder nicht. Meiner Ansicht nach wäre das verlorene Zeit, wenn wir ein Vermittlungsverfahren betreiben würden, denn worüber sollten wir aus Unionssicht oder genauer gesagt aus der Sicht der unionsgeführten Bundesländer verhandeln, wenn wir das Gesetzespaket in Gänze ablehnen, gleich ob es sich um einen zustimmungspflichtigen oder um einen nicht zustimmungspflichtigen Teil handelt. Bleibt also zunächst der 1. Dezember abzuwarten.

Die Freien Demokraten wollen ein eigenes familienrechtliches Institut, durch notarielle Beurkundung. Unter anderem kein Splitting, keinen Pflichtteil im Erbrecht, kein Unterhaltsanspruch, kein Sorgerecht, aber Zugewinngemeinschaft, gesetzliches Erbrecht, plus die steuerlichen Vorteile, die sich daraus ergeben, Familienzuschläge, usw.. Auch das hat keine Mehrheit gefunden.

Wir haben als Union in den vergangenen Jahren eine Position vertreten, die nicht ganz schlüssig war.

Als Union haben wir immer wieder gesagt, wir sehen deshalb überhaupt keinen Handlungsbedarf, und in soweit gibt es auch einen Unterschied zur Stellungnahme der EKD, weil ja die betroffenen Personen die Probleme in der Praxis selber regeln könnten, ohne dass es eine, durch einseitige Willenserklärungen, wie Vollmacht oder Testament oder durch wechselseitige Verträge, Regelung durch den Gesetzgeber bedürfe.

Das war unsere traditionelle Position über einen längeren Zeitraum hinweg, und diese traditionelle Position ist dann relativiert worden, zunächst beim Kleinen Parteitag im Dezember 1999, vor fast einem Jahr hier in Berlin. Dieser Kleine Parteitag hat folgenden Beschluss gefasst: "Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung, wir wollen prüfen, welche rechtlichen Hindernisse, die dem gemeinsamen Leben der gegenseitigen Fürsorge im Wege stehen, beseitigt werden können". Und dann beim Essener Bundesparteitag. Aus Gründen, die nicht in jeder Hinsicht erfreulich waren, mussten wir einen neuen Bundesvorstand und eine neue Bundesvorsitzende wählen, hat der Bundesparteitag der CDU beschlossen: "Die CDU respektiert die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen als der Ehe einen partnerschaftlichen Lebensentwurf zu verwirklichen suchen. Auch in solchen Beziehungen können Werte gelebt werden, die grundlegend sind für unsere Gesellschaft. Dies gilt für nicht-eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern; dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Die CDU tritt werbend für Toleranz ein. Sie wendet sich gegen jede Form von Diskriminierung. Eine rechtliche Gleichstellung dieser Lebensgemeinschaften mit der Ehe lehnen wir ebenso ab wie die Schaffung eines eigenen Rechtsinstitut."

Damit war klargestellt, keine Ehe für Homosexuelle, kein neues familienrechtliches Institut wie bei der FDP, aber eine Lösung in Einzelfällen. Und ich will nur zwei Beispielsfälle herauspicken, damit deutlich wird, warum wir uns diesem Thema anders genähert haben, als das in den vergangen Jahrzehnten der Fall war, weil man ja im Wege der Selbstrefflektion gelegentlich nachdenken muss, ob die eigene Argumentation auch richtig ist. Es gibt Situationen, wo der Staat Rechte gewährt und von ganz bestimmten Bedingungen abhängig macht, die die betroffenen Personen nicht erfüllen können. Dann muss man fragen, ob hier nicht eine Ungleichbehandlung vorliegen könnte, beispielsweise beim Zeugnisverweigerungsrecht. Das kann nicht verabredet werden zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen, dem Kläger, dem Beklagten oder dem Zeugen. Der Staat gewährt ein Zeugnisverweigerungsrecht, dies insbesondere dann, wenn der Zeuge sich in einer unauflösbaren Konfliktsituation befindet. Auf der einen Seite ist angeklagt oder Prozesspartei eine dem Zeugen nahestehende Person, der er nicht schaden möchte. Auf der anderen Seite ist er aber als Zeuge zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet. Sagt er nicht die Wahrheit, droht die strafrechtliche Sanktion: uneidliche Falschaussage oder Meineid, nach unserem Strafgesetzbuch ein Verbrechen. Und jetzt hat der Zeuge eine unauflösbare Konfliktsituation. Er wird befreit durch den Gesetzgeber, in dem dieser sagt, du kannst aussagen. Wenn du aussagst, dann musst du die Wahrheit sagen. Aber wir geben dir als Staat auch das Recht, die Aussage zu verweigern. Bei Heterosexuellen kann das völlig problemlos gehen, montags ist die Verhandlung, da kann ich mich noch sonntags verloben, und dienstags das Verlöbnis wieder auflösen, jedenfalls habe ich montags das Zeugnisverweigerungsrecht. Solche skurrilen Fallkonstellationen lässt das Gesetz zu. Die homosexuellen Paare, die aber vielleicht über Jahre oder Jahrzehnte zusammenleben und wirklich ein enges Vertrauensverhältnis haben, und wo der Konflikt in gleicher Weise entsteht oder noch in viel stärkerer Weise, können dieses Zeugnisverweigerungsrecht nicht verabreden. Deswegen die Frage, ob nicht ein Zeugnisverweigerungsrecht hier gesetzlich geregelt werden muss.

Zweiter Punkt, weniger Gesetzgebung als Ausfluss höchstrichterlicher Rechtsprechung, ist der Eintritt in den Mietvertrag. Wenn beide Partner in dem Mietvertrag stehen, gleich ob sie heterosexuell oder homosexuell sind, haben wir kein Problem. Stirbt der eine Partner, setzt sich der Mietvertrag mit dem anderen fort, weil er ja zivilrechtlich Partei des Mietvertrages ist. Anders sind die Fälle, in denen für das heterosexuelle Paar nur einer den Mietvertrag unterschrieben hat, Mann oder Frau und ausgerechnet der, der den Mietvertrag unterschrieben hat, verstirbt. Es überlebt derjenige, der den Mietvertrag nicht unterschrieben hat und deswegen nicht Partei des Mietvertrages geworden ist. Dann ist es nicht gesetzlich normiert, sondern Ausfluss der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass sich der Mietvertrag bei heterosexuellen Paaren mit dem überlebenden nichtehelichen Lebenspartner fortsetzt. Homosexuelle Paare können aber in gleicher Weise betroffen sein, auch sie können Jahre oder Jahrzehnte mit einem Partner in einer Wohnung gelebt haben, aber den Mietvertrag nicht mitunterschrieben haben. Und dann geht es nicht um den Schutz der Liebesbeziehung, die ja durch den Tod endet, sondern um den Lebensmittelpunkt, den man sich über Jahre oder Jahrzehnte geschaffen hat, und der nicht deswegen aufgegeben werden soll, weil es aus welchen Gründen auch immer unterblieben ist, den Mietvertrag gleichzeitig mit zu unterschreiben oder später ebenfalls Vertragspartei des Mietvertrages zu werden.

Wir haben fünf Punkte angesprochen: Mietvertrag, Zeugnisverweigerungsrecht, Besuch in Strafanstalten, Totensorge und ärztliches Auskunfts- und Besuchsrecht. Ohne damit eine Kopie der Ehe, ein Eheimitat zu schaffen, sondern eine praktische Lösung: in bestimmten Konfliktsituationen, weil die Partner diese Konflikte selber nicht lösen können. Und dann waren wir an einer kitzligen Ecke angelangt, nämlich: wo soll das dokumentiert werden? Man hätte sicherlich mit einer Dokumentation beim Standesamt den Eindruck erweckt, auch hier wird eine Quasi-Ehe geschlossen, nur das Kind wird anders getauft, man nennt es nicht Ehe, sondern eingetragene Partnerschaft. Und deswegen bevorzugen wir in diesem Punkt - das ist das einzige, wo wir kongruent sind mit der F.D.P. - die notarielle Beurkundung. Warum? Weil der Notar ein öffentliches Amt ausübt, weil Notare auch beraten und notarielle Verträge beurkunden können, was Rechtsanwälte nicht können. Die Paare hätten sich bei der Beurkundung gleich umfassend beraten lassen und – falls gewünscht – Verträge z.B. Erbverträge, schließen können.

Wie sieht es nun in den anderen Ländern aus? Herr Prof. Honecker, Dänemark haben Sie bereits angesprochen. In elf Jahren 2200 Eintragungen. Also etwas über 200 pro Jahr.

Niederlande seit 1998 noch keine Zahlen, Schweden und Norwegen seit 1995, in Schweden 620 Eintragungen oder Ehen, also 120 pro Jahr in einem großen Land wie Schweden. Norwegen 520, also gut 100 pro Jahr und Island seit 1996, ohne Zahlen.

In Frankreich sieht die Lage etwas anders aus. Frankreich hat den PACS geschaffen, ein Rechtsinstitut unterhalb der Ehe, ohne Unterscheidung, ob homosexuelle Paare oder heterosexuelle Paare. In Frankreich können auch diese heterosexuellen Paare, die nicht heiraten wollen genauso einen PACS abschließen, wie homosexuelle Paare es ebenfalls können.

Was nun die eingetragene Lebenspartnerschaft angeht, das füreinander Einstehen, da ist es interessant zu wissen, und es spielt auch in der politischen Debatte der letzten Woche eine große Rolle, dass man es nicht, auch nicht nach dem Text des Gesetzes an der Geschlechtlichkeit festmachen kann, sondern es soll ja bedeuten, dass man füreinander einsteht, füreinander Sorge trägt. Und diese Sorgeverhältnisse, die Näheverhältnisse, gibt es natürlich, weit über heterosexuelle Paare von Mann und Frau und homosexuelle Paare hinaus.

Sie können gar nicht so kompliziert denken wie das Leben spielt. Ich hatte selber mal in der anwaltlichen Praxis einen Fall, wo Bruder und Schwester zusammengelebt haben, wo der Bruder 1949 geheiratet hat und 50 Jahre von seiner Ehefrau getrennt lebte, aber sich nie hat scheiden lassen. Und der Bruder starb, er war aber Mietvertragspartei und wurde in den letzten Jahren aufopfernd von seiner Schwester gepflegt. Wären sie ein heterosexuelles Paar gewesen, hätte sich der Mietvertrag mit der Schwester fortgesetzt. Aber Bruder und Schwester kann man nicht unter die Rechtsprechung heterosexueller Paare und Fortsetzung des Mietvertrages subsumieren. Der Vermieter hat den Auszug der Schwester verlangt, die immerhin 45 Jahre in dieser Wohnung mit ihrem Bruder gelebt hat. Dann haben wir uns mit dem Vermieter geeinigt. Sie können sich denken wie: indem die Miete erhöht wurde. Aber die Problemstellungen, die nun homosexuelle Paare aufrufen, mit einer Begründung jetzt müsse das aber durch den Gesetzgeber geregelt werden, die gibt es auch für eine Fülle von anderen Einstehensgemeinschaften, das muss nicht unbedingt ein homosexuelles oder heterosexuelles Paar sein, weil es nicht an der Geschlechtlichkeit festgemacht wird - auch nicht bei der jetzt begründeten Lebenspartnerschaft.

Wir werde - die sächsische Landesregierung hat ja schon in diesen Tagen einen entsprechenden Vorstoß angekündigt - in der Fraktion zu überlegen haben, ob wir im Wege einer Normenkontrollklage das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anrufen. Natürlich müssen wir zunächst einmal das Gesetzgebungsverfahren abwarten. Wir können jetzt noch nicht beurteilen, was abschließend im Bundesgesetzblatt stehen wird. Aber diese Fälle kennzeichnen sich ja dadurch, dass es vermutlich keine Verfassungsbeschwerde geben wird. Anders als bei der Ökosteuer: Derjenige, der sie bezahlt, aber das als ungerecht empfindet, legt eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. So etwas wird logischerweise bei einem derartigen Gesetzesvorhaben, das ja Rechte gibt, nicht stattfinden, und deswegen ist es wohl richtig, wenn die Bundestagsfraktion sich entschließt, nach Kenntnis dessen, was im Bundesgesetzblatt steht, prüfen zu lassen, ob hier ein Verstoß gegen Artikel 6 und Artikel 1 des Grundgesetzes vorliegt, und dann dies durch das Bundesverfassungsgericht im Wege einer Normenkontrollklage überprüfen zu lassen, denn wir sind der festen Überzeugung, dass es sich hierbei um eine Entscheidung des Deutschen Gesetzgebers handelt, die von überragender Bedeutung ist. Wir sind der Auffassung, dass wir hier alle Mittel, die uns zu gebote stehen, ausschöpfen müssen. Wenn wir im Parlament keine Mehrheit haben, dann wollen wir aber wenigstens sicher sein, dass das Bundesverfassungsgericht diese Frage unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten prüfen kann.

Danke für das Zuhören.