Einführungsrede von Jochen Borchert (MdB): 5. Berliner Theologisches Gespräch

5. Berliner Theologisches Gespräch

23.01.2001 in der Bayrischen Landesvertretung in Berlin

mit Herrn Bischof a.D. Eduard Berger

Herrn Dr. Frank Ulrich Montgomery

 

Euthanasie! Ein humaner Tod?

Moderation: Jochen Borchert

Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich begrüße ich Sie zu unserem 5. Berliner Theologischen Gespräch. Ich freue mich, dass Sie wieder einmal so zahlreich erschienen sind.

Ganz besonders möchte ich auch unsere Referenten, Herrn Bischof a.D. Eduard Berger aus Greifswald und Herrn Dr. Frank Ulrich Montgomery, den Vorsitzenden des Marburger Bundes, begrüßen. Meine Herren, ich heiße Sie im Namen des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU herzlich willkommen.

Ich glaube, wir können guter Zuversicht sein, dass wir mit den Berliner Theologischen Gesprächen einen festen Ort in dieser Hauptstadt gefunden haben.

Einen Ort, an dem über Fragen gesprochen wird, die in unserer Gesellschaft Thema sind.

Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind Themen, die oft nicht leicht zu beantworten und zu behandeln sind, und doch hat sich gezeigt, dass die Atmosphäre dieser Veranstaltung es zulässt, dass auch über Schwieriges differenziert gesprochen werden kann.

Dies haben wir beim letzten Mal, als es um die Frage der Homosexualität ging deutlich gespürt.

Wir feiern heute aber auch eine Premiere! Wir sind das erste Mal in der - na sagen wir einmal - in der bayerischen Botschaft. Das Dietrich-Bonhoeffer-Haus, in dem wir sonst tagen, war schon vergeben. Ich freue mich, dass die Vertretung des Freistaates Bayern beim Bund für uns seine Türen geöffnet hat. Ein Zeichen der Verbundenheit und ein Zeichen dafür, dass es auch viele evangelische Christenmenschen in Bayern gibt und Mitchristen aus der Katholischen Kirche, die unsere Arbeit als EAK unterstützen.

Als Evangelischer Arbeitskreis wollen wir Theologie und Politik ins Gespräch bringen.

Wir wollen als Christen in der Politik, Politik auch selbst gestalten.

Wir wollen als Evangelischer Arbeitskreis der CDU/CSU Brücken bauen, die tragfähig sind, um auch manchmal Widerstreitendes miteinander zu verbinden.

Das heißt nicht, dass wir immer einen Theologen oder einen Politiker als Referenten anfragen.

Das heißt auch nicht, dass wir selbst keine Stellung beziehen. Dies tun wir sehr wohl! Und gerade in den ethischen Fragen ist dies momentan mehr als notwendig.

Heute spricht zu uns kein Politiker. Aber es ist gut, dass wir Politiker unter uns haben, die dem Herrn Bischof a.D. Berger und Herrn Dr. Montgomery zuhören.

Bei so manchen Fragen ist es ja besser erst einmal zu zuhören, bevor man selbst Stellung zu einem Fragenkomplex einnimmt.

Dies ist gerade bei dem Thema des heutigen Abends äußerst wichtig.

Es geht um ein Thema, das nicht nur geschichtlich in unserem Land besetzt ist, sondern grundsätzlich um die Frage, inwieweit wir unser, manchmal sehr zweifelhaftes, Freiheits- und Selbstbestimmungsstreben gesetzlich verbrieft ausdehnen wollen.

Es geht um die Frage, ob Menschen testamentarisch verfügt oder nicht vor der Zeit durch einen Eingriff des Arztes sterben sollen.

Es geht um das Thema der Euthanasie und es geht um die Frage, ob dadurch wirklich Barmherzigkeit geübt wird, oder ob die - lassen sie es mich drastisch sagen - oder ob die Tötung auf Verlangen der Startschuss für die Enttabuisierung des Tötens leidender Menschen überhaupt ist.

Denn hier liegt ja das Argument der Befürworter schneller Lösungen, dass es barmherzig gegenüber dem Leidenden ist.

Ist es barmherzig, frage ich?

Mit Blick auf so manchen Schwerstkranken mag ich vielleicht in mir leise "ja" sagen, aber ist mit Blick auf diese Leidenden die Euthanasie wirklich der richtige, der gangbare Weg? Und ich sage in meinem Inneren laut und deutlich "Nein". Es muss andere Wege geben, mit Sterbenden Menschen umzugehen.

Aber mit meinem deutlichen "Nein" bin ich in der Minderheit!

Der Ruf, der auch in Deutschland immer hörbarer wird, klingt nämlich ähnlich dem, der in den Niederlanden dazu geführt hat, dass die aktive Sterbehilfe jetzt in unserem Nachbarland legalisiert wurde.

Dieses Gesetz hat auch zu diesbezüglichen Reaktionen in unserem Land geführt.

Aber wie sieht es aus mit der Selbstbestimmung des Menschen über Zeitpunkt und Art des Todes?

Ist sie nicht mit anderen Dingen unvereinbar, die mitzubedenken sind? Wie sieht es z.B. mit der Selbstbestimmung des Arztes aus, oder mit dem christlichen Anspruch, dass Gott das Leben schenkt und es auch bei Zeiten wieder nimmt? Und: Was wären überhaupt Kriterien für eine durchzuführende Euthanasie?

Ist hier nicht dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, wird dem Kranken hier nicht ein Druck auferlegt, sich irgendwann für das Unentscheidbare entscheiden zu müssen?

Was mutet man der Familie und dem Kranken hierbei selbst zu? Sie merken schwere Fragen! Wo finden wir Antworten?

Meine Damen und Herren, es kann nicht um die Entsorgung menschlichen Lebens nach Wunsch gehen, sondern allein um die Humanisierung des Sterbens. Viele aber sehen dies anders. In unserem Land ist eine Ethikdebatte entbrannt, die dem beginnenden und dem sterbenden Leben immer einschränkender gegenüber steht. Leid, so sagen es viele, darf es nicht geben! Aber, was wird aus dem leidlosen Menschen?

Ich bin innerlich gespannt auf das, was wir heute von profilierten Persönlichkeiten unseres Landes zu diesen Fragen hören werden.

Wir beginnen mit Herrn Bischof Berger, danach spricht Herr Dr. Montgomery, nach einer inneren Runde wird das Gespräch auf für Ihre Fragen und Anmerkungen geöffnet werden.