mit Herrn Prof. Dr. Hans-Günter Krüsselberg
Rainer Eppelmann, (MdB)
Zukunft ohne Familie?
Familie ohne Zukunft?
Moderation: Jochen Borchert
Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU
26. Juni 2001
Vertretung des Landes Hessen beim Bund
In den Ministergärten 5
10117 BERLIN
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie ganz herzlich zum 7. Berliner Theologischen Gespräch des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU hier in der Vertretung des Landes Hessen beim Bund.
"Zukunft ohne Familie? Familie ohne Zukunft?", so lautet unser Thema heute.
Ich freue mich, dass wir in dem gerade frisch bezogenen Haus unsere heutige Veranstaltung statt finden lassen können.
Wie viele von Ihnen wissen, haben wir uns bei den letzten theologischen Gesprächsabenden mit der aktiven Sterbehilfe und der Gentechnologie beschäftigt.
Der Evangelische Arbeitskreis hat inzwischen zu beiden Themen öffentlich wiederholt Stellung bezogen. Während wir zur aktiven Sterbehilfe schon im März auf unserer Bundestagung deutlich ablehnende Worte gefunden haben, freue ich mich, Ihnen mitteilen zu können, dass der Bundesvorstand des EAK auf dem 29. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Frankfurt die sog. "Frankfurter Erklärung zur Gentechnologie" verabschiedet hat.
Mit dieser Erklärung hat der EAK eine Position eingenommen, die er sich letztlich von der CDU im weiteren Diskussionsprozess erhofft, damit deutlich wird, dass die Würde des Menschen wirklich weiterhin unantastbar bleibt.
Der EAK hat damit seine Verantwortung wahr genommen, christliches, ja evangelisches Profil im politischen Handeln zu zeigen.
Wir haben in dieser Erklärung u.a. formuliert: "Der Schutz menschlicher Embryonen darf nicht eingeschränkt werden. Es muss Konsens bleiben: Die Forschung ist für den Menschen da und nicht umgekehrt. Darum lehnen wir, wie auch der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, gezielte Eingriffe an menschlichen Embryonen, die ihre Schädigung oder Vernichtung in Kauf nehmen, ab. Mit dem Vorrang des Schutzes der Würde des Menschen sind die Herstellung menschlicher embryonaler Stammzellen aus sogenannten "überzähligen Embryonen" und die Präimplantationsdiagnostik nicht zu vereinbaren."
Wenn ich dieses hier erwähne, so tue ich es bewusst, weil ich der Auffassung bin, dass die ethischen Themen, die sich dem werdenden und vergehenden Leben widmen, mit unserem Thema heute zu tun haben.
Beide behandelten Themen, sowohl das der Gentechnologie als auch das der aktiven Sterbehilfe berühren zentral das Thema der Familie. Die Familie spielt beim Beginn des Lebens und am Ende des Lebens eine entscheidende Rolle. Aber hier erscheint schon das erste Fragezeichen.
Ja, die Familie hat auf jeden Fall in diesen Lebenssituationen eine entscheidende Rolle gespielt. Und nicht nur dort! Die Familie hat das Leben der Menschen zu tiefst geprägt über Generationen hinweg.
Die Familie war immer Kern gesellschaftlichen Handelns und Lebens.
Sie war Trägerin von Wertvorstellungen und Traditionen. An ihr konnten sich nachfolgende Generationen orientieren, aber auch reiben.
Gilt dies auch heute?
Grundsätzlich möchte ich dies mit einem "Ja" beantworten, auch wenn sich das Bild von Ehe und Familie gewandelt hat. Dieses Phänomen ist allerdings nicht neu. Schon immer war das Bild von Familie und Ehe dem Wandel und dem Zeitgeist unterworfen.
Doch es gibt einen Schwerpunkt, an dem alle Bilder von Familie und Ehe sich messen lassen müssen. Ich meine, dass dieser im Wohl der Kinder zu liegen hat, weil unausweislich sie die Zukunft des Gemeinwesens bilden.
Der Schutz der Familie als Keimzelle der Gesellschaft ist aus diesem Grund zu recht staatlich geschützt. Dies muss so bleiben - und das ist gut so!
Die Familie ist immer noch der Regelfall menschlichen Zusammenlebens. Die Familie ist in den Augen der Deutschen die attraktivste Lebensform überhaupt. Drei Viertel der Bevölkerung sind davon überzeugt, nur in einer Familie mit einem oder mehreren Kindern wirklich glücklich leben zu können. Das ist ermutigend. Viele erkennen gerade angesichts der voranschreitenden Individualisierung die Familie als Verantwortungsgemeinschaft von Eltern für Kinder und von Kindern für Eltern.
Und als Christen wissen wir nicht zuletzt durch die Bibel, dass Familie generationsübergreifende Verantwortung bedeutet. "Ehre deinen Vater und deine Mutter, wie der HERR, dein Gott Dir geboten hat, damit Du lange lebst und es Dir wohl ergehe im Lande."
Das persönliche Wohlergehen ist an das Gebot der Elternliebe geknüpft. Das vierte Gebot drückt also in einer Weisheit die Funktion von Familie aus, wie es kürzer und prägnanter nicht gesagt werden kann.
Trotzdem entscheiden sich immer weniger Menschen dafür, diesen Wunsch wirklich in Erfüllung gehen zu lassen. Es gibt anscheinend zu viele Hindernisse, die dazu führen, Verantwortung für eine Familie zu übernehmen.
Und ein Blick auf so manche Statistik zeigt, dass Kinderreichtum in Deutschland immer mehr zum Armutsrisiko wird. Inzwischen leben 1,1 Millionen Kinder in Deutschland von der Sozialhilfe. Damit dürfen wir uns nicht abfinden, denn diese Entwicklung ist alarmierend.
Nicht zuletzt wirtschaftliche Erwägungen sind es also, dass viele junge Paare auf Kinder verzichten. Sie fühlen sich durch die wirtschaftlichen Herausforderungen mit Mobilitätsdruck usw. bereits so belastet, dass das Vertrauen fehlt, eine Familie zu gründen. Oft reicht ein Gehalt gerade in Ballungsräumen nur hinreichend aus, eine Familie zu gründen und einen gewissen Lebensstil weiterzuführen. Die Folge ist:
Bis zum Jahr 2050 wird die Bevölkerung in Deutschland um 17 Millionen Menschen abnehmen und die Generation der 20 jährigen wird nur noch halb so groß sein wie heute, und mehr als ein Drittel der Menschen wird über 60 Jahre alt sein.
Dies hat für unser gesellschaftliches Leben beträchtliche Konsequenzen.
Nicht nur die wirtschaftliche Situation Deutschlands ist dadurch gefährdet, sondern diese Perspektive bedeutet, dass nur noch halb so viele junge Menschen ins Berufsleben eintreten, in die sozialen Sicherungssysteme einzahlen, eine Familie gründen, als Verbraucher ansprechbar sein werden oder sich in Vereinen, Parteien oder auch Kirchen organisieren können wie bisher. Der Generationenvertrag, der bis dato schon hinreichend aus den Fugen zu drohen gerät, wird eine solche Belastung kaum bestehen können.
Will man über den Generationennachwuchs hinaus die vielfältigen und grundlegenden Leistungen der Familie für Staat und Gesellschaft erhalten, muss man die Familien in ihrer ganzen heutigen Vielfalt erheblich mehr als bisher unterstützen: in den Systemen sozialer Sicherung, der Besteuerung, den schulischen und außerschulischen Einrichtungen und der Arbeitswelt. Diese Botschaft ist in jüngster Zeit deutlich vom Bundesverfassungsgericht an die Parteien und zu aller erst an die Regierung ergangen. Diese ist jetzt aufgefordert zu handeln.
Aber auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird dieser Aufforderung nachkommen und wird bei Zeiten ein Familienpapier vorlegen, das weitreichende Vorstellungen der Familienunterstützung darlegen wird.
Aus diesem Grund ist die Familie zu Recht Mittelpunkt politischer Betrachtung, denn das Gelingen von Familie hängt nicht nur von den Familienmitgliedern, sondern ebenso von der Gesellschaft ab.
Ich freue mich deshalb, dass wir zu diesem wichtigen und umfangreichen Thema zwei ausgewiesene Fachleute begrüßen können.
Ich begrüße sehr herzlich Herrn Prof. Dr. Hans-Günter Krüsselberg.
Herr Prof. Krüsselberg hat einen Lehrstuhl für Volkswirtschaft und Volkswirtschaftslehre an der Universität Marburg inne.
Herr Prof. Krüsselberg hat - man kann beinahe sagen - seit Jahrzehnten auf die Bedeutung der Familien hingewiesen.
In seinen Veröffentlichungen hat Herr Prof. Krüsselberg u.a. darauf aufmerksam gemacht, dass Familien jene Entscheidungszentren in sozialen Umwelten sind, die den Bestand von Gesellschaften sichern.
Als Mitglied im wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dessen Vorsitz er sechs Jahre inne hatte, setzte er sich für die Belange der Familien ein.
In diesem Kontext wies Herr Prof. Krüsselberg immer wieder darauf hin, eine Familienpolitik zu gestalten, die sich nicht negativ auf den Generationenvertrag auswirke.
Herr Prof. Krüsselberg ich begrüße Sie sehr herzlich beim Evangelischen Arbeitskreis.
Begrüßen möchte ich ebenso herzlich meinen Fraktionskollegen Rainer Eppelmann, der maßgeblich an dem CDU Papier: "Lust auf Familie - Lust auf Verantwortung" mitgewirkt hat, das auf dem kleinen Parteitag im Dezember 1999 in Berlin beschlossen wurde.
Als Pfarrer dieser Landeskirche und als langjähriger Politiker hat Herr Eppelmann viele Erfahrungen sammeln können.
Ich glaube, dass wir zwei spannende Referate hören werden! Sie werden die Problematik der Familien, aber vielleicht auch den einen oder anderen Weg zeigen, wie man zukünftig die Leistungen, die innerhalb der Familien erbracht werden, finanziell und gesellschaftlich besser bewerten kann. Herr Eppelmann ich bitte Sie um Ihr Referat.
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